Während die MotoGP in Austin gerade erst ihr drittes von 21 Rennwochenende des Jahres 2024 absolvierte, wirft die kommende Saison bereits ihre ersten Schatten voraus. In Sachen Fahrermarkt ist noch vieles unklar, erst sechs Piloten haben einen Vertrag für 2025 in der Tasche. Die ersten großen Entscheidungen sind aber bereits gefallen. Brad Binder verlängerte bereits 2023 bei KTM, Weltmeister Francesco Bagnaia unterschrieb kurz vor Saisonstart in Katar erneut bei Ducati. Anfang April verkündete dann auch Fabio Quartararo seinen Verbleib bei Yamaha.

Zumindest die letzte Entscheidung kam dann aber doch etwas überraschend, steckt der japanische Hersteller aus Iwata doch seit Jahren in einer handfesten Krise. Seit dem Deutschland Grand Prix 2022 konnte kein Rennen mehr gewonnen werden, 2023 gelangen lediglich vier Top-3-Platzierungen. Die MotoGP-Welt war sich einig, dass das keine dauerhafte Situation für den Weltmeister von 2021 bleiben könnte. Auch Motorsport-Magazin.com tippte Quartararo vor dem Saisonstart zu Aprilia. Und dieser Wechsel hätte so tatsächlich auch zustande kommen können, das italienische Werk zeigte großes Interesse am 24-Jährigen. Doch 'El Diablo' lehnte ein kolpotiertes Angebot über vier Millionen Euro Jahresgehalt ab und verlängerte stattdessen für die dreifache Summe bei Yamaha.

Quartararo wird zum Rekordverdiener: Teurer Vertrag für Yamaha (07:42 Min.)

Aprilia 2025 mit Maverick Vinales und Jorge Martin oder Enea Bastianini?

Auch wenn es letztlich also nicht zum Wechsel kam, Aprilias gescheiterter Abwerbeversuch zeigt: Beim italienischen Motorradbauer könnte sich die Fahrerpaarung nach zuletzt dreieinhalb Jahren mit Aleix Espargaro und Maverick Vinales 2025 erstmals wieder verändern. Die Verträge der beiden Spanier laufen mit Jahresende aus, über neue Verhandlungen ist bislang nichts bekannt. Kommt ein neuer Pilot nach Noale - etwa Jorge Martin oder Enea Bastianini, mit dem Aprilia-Racing-CEO Massimo Rivola schon mehrfach flirtete - müsste also einer der beiden bisherigen Stammfahrer Platz machen.

War die Situation vor dem Saisonstart 2024 noch recht offen, deutet momentan vieles auf einen Verbleib von Vinales hin. Der 29-Jährige erlebte nach schwierigen Wintertestfahrten zuletzt seine bislang stärkste Phase als Aprilia-Pilot und gewann nicht nur die letzten beiden MotoGP-Sprints, sondern in Austin auch den langersehnten Grand Prix. Ein historischer Triumph, der ihn zum ersten MotoGP-Piloten mit Siegen für drei unterschiedliche Konstrukteure machte. Ohne das Getriebeproblem im Hauptrennen von Portimao, welches ihn Platz zwei kostete, könnte sich Vinales nun sogar in Tuchfühlung zur WM-Führung befinden, ist aber auch so mit 56 Punkten mittlerweile auf WM-Rang drei angelangt. Macht er so weiter, scheint eine Vertragsverlängerung mit Aprilia nur noch eine Frage der Zeit.

Maverick Vinales ist derzeit Aprilias Speerspitze in der MotoGP, Foto: LAT Images
Maverick Vinales ist derzeit Aprilias Speerspitze in der MotoGP, Foto: LAT Images

Aleix Espargaro: MotoGP-Entscheidung nicht vor Mugello

Damit geht der Blick natürlich auf die andere Seite der Garage, wo die Zukunft von Aleix Espargaro ohnehin schon länger unklar ist. Mit 34 Jahren ist dieser mittlerweile zum ältesten Piloten in der MotoGP-Klasse aufgestiegen und dachte bereits im Vorjahr offen über einen Rücktritt mit Saisonende 2024 nach. "Wann ich eine Entscheidung treffen werde? Das ist eine gute Frage, ich weiß es nicht", verriet Espargaro zuletzt in Austin. "Ich hoffe, dass Aprilia mir ein neues Angebot unterbreiten wird, aber das ist nicht so wichtig. Ich muss erst entscheiden, ob ich überhaupt bleiben will. Ich habe nicht noch nicht entschieden. Ich will noch etwas warten, mindestens bis Mugello, um zu sehen, wie ich performe. Ich genieße diese Saison, aber ich will bei jedem Rennen um die Top fünf kämpfen und wenn ich das nicht tue, wird das mein letztes Jahr sein."

Das MotoGP-Jahr 2024 verlief für den Aprilia-Kapitän bislang durchwachsen. Beim Jahresauftakt in Katar fuhr er im Sprint prombt in die Top drei und sicherte sich damit auch die Favoritenrolle für das Hauptrennen, war dort mit einem (vermutlich) defekten Hinterreifen aber chancenlos. In Portimao und Austin tat sich Espargaro dann schwer - beides Strecken, die nicht zu seinem Fahrstil passen. Entscheidend werden daher die nächsten Stationen in Jerez, Le Mans, Barcelona und Mugello, wo der Katalane in den vergangenen Jahren immer ein Podestanwärter war. Kann er auch dort nicht mehr mit Vinales mithalten, könnte sich seine Zeit in der MotoGP nach 342 Grand-Prix-Starts dem Ende zu neigen.

"Ich versuche herauszufinden, was das Beste für meine Zukunft ist", sagt Espargaro und stellt klar: "Ich denke nicht, dass ich nochmal für ein anderes Team als Aprilia fahren möchte. Wenn ich mich also entscheiden würde, weiterhin Vollzeit Rennen zu fahren, dann nur bei ihnen. Vielleicht entscheide ich mich aber auch, aufzuhören und nur ein paar Wildcards zu fahren oder ich höre ganz auf. Ich bin mir noch unschlüssig. Momentan hängt es von meiner Leistung ab. Ich möchte jedes Wochenende auf dem Podium stehen und dann entscheiden." Ein Teamwechsel innerhalb der MotoGP kommt für den leidenschaftlichen Rennradfahrer also nicht in Frage. Will er weitermachen, muss er hoffen, dass sich sein langjähriger Arbeitgeber nicht für frisches Blut in Form eines anderen Piloten entscheidet. Das Positive: Zumindest Espargaro selbst scheint keinen Zeitdruck für seine eigene Zukunftsentscheidung zu haben, da auch im Hause Ducati nicht mit einer zeitnahen Vergabe des zweiten Werksplatzes neben Bagnaia zu rechnen ist.

Trägt Aleix Espargaro auch 2025 noch die Aprilia-Farben?, Foto: LAT Images
Trägt Aleix Espargaro auch 2025 noch die Aprilia-Farben?, Foto: LAT Images

Testfahrerrolle möglich: Wechselt Aleix Espargaro zu Honda oder Yamaha?

Sollte Espargaro aufhören wollen oder von Aprilia keinen neuen Vertrag als Stammfahrer mehr angeboten bekommen, muss das aber nicht gleichbedeutend mit einem völligen Abschied aus der Motorrad-WM sein. Denn auch eine Testfahrerrolle, wie sie Bruder Pol Espargaro derzeit bei KTM ausübt, steht zur Debatte. "Das wäre aufregend, weil es ein neuer Job ist, der vor fünf Jahren noch gar nicht existierte", sagt der Aprilia-Pilot. "[Michele, Anm.] Pirro und Ducati haben das Game vor sechs Jahren verändert. Wir haben mittlerweile verstanden, wie wichtig das ist. Das zeigen Dani [Pedrosa] und Pol bei KTM."

In diesem Fall könnte sich Espargaro sogar einen Wechsel zu einem anderen MotoGP-Hersteller vorstellen - trotz aller Verbundenheit mit dem Aprilia-Projekt. " Yamaha und Honda müssen ihr Testteam upgraden, weil sie nicht auf dem Level der Italiener oder von KTM sind. Ich denke, dass das eine interessante Gelegenheit für mich sein könnte", verrät er. "Ich würde gerne dabei helfen, ein neues Motorrad aufzubauen. Ich hatte in den letzten sechs oder sieben Jahren viel Spaß dabei, die Aprilia zu entwickeln und denke, dass wir einen großartigen Job gemacht haben."